»Notausgang: Mapping the Journey of Spaces«
26.02.2021
Online Launch
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»Notausgang: Mapping the Journey of Spaces«
Literarische und visuelle Publikation
Sprache: Deutsch
54 Seiten
Beiträge von:
Nerges Azizi
Ahmed Isam Aldin
Simin Jawabreh
Dachil Sado
Kofi Shakur
Gestaltung:
Chau Luong
Redaktion:
Kofi Shakur – Editor
Erkan Affan – Koordination
Hintergrund
Als das Projekt »Open Sesame: A Photophobic Experiment« ursprünglich konzipiert wurde, gab es einen Funken Hoffnung im Kurator*innen- und Koordinationsteam, dass wir Ende 2020 wieder Veranstaltungen vor Ort organisieren würden. Ein naiver Gedanke, wie es scheint, denn nicht nur war dies nicht möglich, sondern die gesamte Ausstellung, die wir geplant hatten, fand sich schließlich in einem neuen Präsentationsformat wieder: VR/360.
Auf dem Weg ins Jahr 2021 riefen andauernde Verzögerungen des körperlichen Zutritts den Wunsch hervor, die Gültigkeit der Art und Weise zu hinterfragen, wie sich „Raum“ angenähert wird, wie “Raum” normalisiert wird. Können wir Raum ohne physische Nähe halten? Können wir ein „Ereignis“ schaffen, das eine Konstellation von Gedanken und Informationen in Form von Diskursen, Kunstwerken und Literatur bietet? Eines, das kein Enddatum oder eine räumliche Barriere hat, die seinen Zugang begrenzen könnte?
Das Ergebnis dieser Fragen ist das folgende Journal.
Erkan Affan
Vorwort des Herausgebers
Soziale Verhältnisse existieren nicht abstrakt, sondern werden geformt und drücken sich konkret darin aus, wie Menschen miteinander in Beziehung treten (können). Dabei sind auch Räume von zentraler Bedeutung. Sie dienen jedoch nicht nur als leblose Kulisse der täglichen Geschäfte. Räume sind Produkte menschlicher Arbeit, als Ergebnis architektonischen Schaffens gleichermaßen Spiegel der technischen Möglichkeiten, der ideologischen Kämpfe verschiedener Arten, die Welt zu begreifen und auf sie einwirken, sie gestalten zu wollen. Gleichzeitig sind sie Antwort auf politische Dynamiken, Rahmen und Struktur des Lebens im Spannungsfeld des Möglichen und des Nötigen. Die immer deutlicher zutage tretenden Anforderungen der Gestaltung menschlicher Gesellschaften auf nachhaltige ökologische Weise stellen besonders die Städte als Zentren menschlichen Lebens vor neue Aufgaben. Dem historisch notwendigen sind jedoch mehr denn je politische Grenzen gesetzt. In den Vereinigten Staaten hat sich als Reaktion auf die Illegalisierung und Kriminalisierung von Migrant*innen das Modell der solidarischen Stadt entwickelt. Menschen ohne Papiere und sicheren Aufenthaltsstatus sollen so ein Mindestmaß an Bildung und gesundheitlicher Versorgung in Anspruch nehmen können, ohne Verfolgung durch die Behörden zu fürchten. Diese betrachten bei der Vermarktung ihrer Städte als potentielle Wirtschaftsstandorte für transnationales Kapital ihre eigene Bevölkerung zunehmend als Störfaktor. Gentrifizierung ist aus dem Stadtbild der Metropolen nicht mehr wegzudenken. Die Aufwertung verdrängt Arbeiter*innen aus den (ehemaligen) Arbeiter*innenvierteln, erklärt Obdachlose, Geflüchtete und migrantisierte Jugendliche zu personae non gratae und erschafft Parallelgesellschaften in Eigentumswohnungen und Bürogebäuden mit Spiegelglasfassade.
Wie sich (fehlende) städtische Infrastruktur, oft in Form von Behörden, die nicht nur den Asylprozess, sondern auch das Leben von Asylsuchenden kontrollieren, auf diese auswirkt, beschreibt Nerges Azizi in diesem Heft mit einer
fiktiven Geschichte einer jungen afghanischen Frau. Sie beschreibt die Geschichte von Azadeh, die zuvor als Teil der afghanischen Minderheit im Iran lebte und schließlich in Deutschland der Bürokratie des Asylsystems gegenübersteht.
Der Polizei als weiterem Instrument der öffentlichen Kontrolle ist eine Arbeit von Simin Jawabreh gewidmet. Sie setzt sich mit dem Entstehen und der Rolle der Polizei zur Aufrechterhaltung einer rassistischen sozialen Ordnung auseinander und hinterfragt die Konstruktion von Gefahrengebieten sowie die damit einhergehende Stigmatisierung der Menschen, die an diesen Orten leben. Sie beschreibt, wie die Sicherheitsmaßnahmen des Kolonialismus schließlich ihren Weg in die Metropole finden.
Der Künstler Dachil Sado setzt sich auf seine Art mit dem kolonialen Vermächtnis auseinander. Durch „Transformation und Kontextualisierung“ gibt er den Flyern des Pergamonmuseums, auf denen das Ischtar-Tor beworben wird, eine neue Form und inszeniert damit seine eigene Ausstellung.
Im Sinne einer afrodiasporischen Erinnerungskultur benennt Ahmed Isam Aldin einen virtuellen Platz nach Theodor Wonja Michael (15 January 1925 – 19 October 2019), einem Schwarzen Zeitzeugen des Nationalsozialismus und wichtigen Mitglied der Schwarzen Community in Deutschland. „Um mit unserer Aufgabe voranzuschreiten, müssen wir diese öffentlichen Plätze beanspruchen, damit sie die wirkliche Geschichte der Menschen repräsentieren, die Rassismus und Kolonialismus an ihren eigenen Körpern erlebt haben.“
Kofi Shakur
Nerges Azizi
Nerges Azizi macht derzeit ihren PhD in Law an der Birkbeck, University of London. Sie arbeitet als Dolmetscherin mit Geflüchteten und interessiert sich für abolitionistische und feministische Theorien, sowie die Geschichte antikolonialer Befreiungskämpfe und Widerstände.
Simin Jawabreh
Simin Jawabreh absolviert gerade ihren Bachelor in Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zum Thema „Race regieren“. Jawabreh arbeitet an der Humboldt Universität Berlin im Lehrbereich Theorie der Politik, in der politischen Bildungsarbeit, ist journalistisch aktiv und antirassistisch organisiert. Sie beschäftigt sich mit abolitionistischen Theorien, Dekolonialismus und Migrations- und Grenzregimen.
Dachil Sado
Dachil Sado wurde in Shingal-Mosul, Irak, geboren. Er lebt und arbeitet seit 2015 in Berlin. 2016 besuchte er an der Technischen Universität Vorlesungen zum Bauingenieurwesen. 2017 absolvierte er ein Fellowship am Bard College und studierte schließlich Bildende Kunst an der Kunsthochschule Weißensee. Er ist Initiator des 2015 gegründeten Projektes KUNSTASYL e.V. und Tutor der *foundationClass an der Kunsthochschule Weißensee.
Ahmed Isam Aldin
Ahmed Isam Aldin kommt aus Khartoum, Sudan, und ist Grafikdesigner und Blogger. Er hat Physik in Khartoum und Grafikdesign und Fotografie in Kairo studiert. Seine Werke wurden im Schwulen Museum ausgestellt. Aldin beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Thema Migration und Psychologie, antikolonialer Kartografie und revolutionären Prozessen. Momentan studiert er Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Weißensee.
Kofi Shakur
Kofi Shakur studiert im Master Afrikawissenschaft an der Humboldt-Universität, wo er auch Sozialwissenschaften studiert hat. Er hält Vorträge über die deutsche Kolonialgeschichte, arbeitet freiberuflich in der politischen Bildungsarbeit und schreibt als Journalist für verschiedene Magazine und Zeitungen.