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Heart Beats

»Heart Beats« widmet sich den künstlerischen Recherchen der beiden Performance-Künstler*innen Leman Sevda Darıcıoğlu und Martin Toloku. Inspiriert durch ihre persönlichen Erfahrungen und kulturellen Bezüge, setzen sie sich in ihren Arbeiten mit der Körperlichkeit von Trauer und Trauma auseinander. Dabei untersuchen sie in der Ausstellung das Phänomen der physischen Ausdauer in Grenzsituationen und ihre transgressive Dimension, etwa als Element gemeinschaftlicher Rituale.

Gefühle von Trauer, Scham, Wut oder Freude manifestieren sich im Körper und seinem Stoffwechsel. Die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie beschreibt den körperlichen Prozess der Trauer als »Weinen mit unseren Muskeln«. Das Erinnern geschieht demnach auch im Körpergewebe, den Muskeln und Knochen. Welche Nachwirkungen historischer Besitzverhältnisse sind in Bezug auf Körper und Land zu spüren, auf individueller und kollektiver Ebene? Leman Sevda Darıcıoğlu und Martin Toloku haben für die Ausstellung neue Werke geschaffen, die sich mit der Metabolisierung und Transformation von Angst, Verlust oder Stigmatisierung befassen, die sie im Kontext der Gemeinschaften im globalen Süden und Norden empfinden, in denen sie leben. Sie interagieren dabei mit der besonderen Architektur des Bärenzwingers, der das Gewicht einer Geschichte der kolonialen und ökologischen Verdrängung trägt.

Beide Künstler*innen arbeiten an der Schnittstelle von Dauer-Performance und Installation und laden das Publikum ein, mit ihnen in Beziehung zu treten, Zeit zu verbringen und den Raum zu teilen. Mit Video, Skulptur, Text- und Klangarbeiten verwandeln sie den Bärenzwinger in eine Bühne und hinterlassen gleichzeitig Spuren, die den Besucher*innen von Vergangenem erzählen oder auf zukünftige Aktionen hinweisen.

Leman Sevda Darıcıoğlu

Leman Sevda Darıcıoğlu (sie/ihr*, Berlin & Istanbul) erforscht in ihren* Dauer-Performances, Videos und Installationen die physischen/emotionalen Grenzen, Begrenzungen und Potenziale des Körpers. Basierend auf diesem körperlichen Ansatz interessiert sich Darıcıoğlu für Chronopolitik und Nekropolitik aus einer Perspektive, die sich auf die Verletzlichkeit und Stärke marginalisierter Körper konzentriert.

Als Künstler*in, die* mit dem binären Geschlechtersystem nicht einverstanden ist, verwendet Leman Sevda Darıcıoğlu als Pronomen das durchgestrichene sie/ihr mit Asterisk in Texten und „they/them“ in der gesprochenen Sprache.

lemandaricioglu.com

Martin Toloku

Martin Toloku (er/ihm, Amsterdam & Kumasi) ist ein multidisziplinärer Künstler, dessen Praxis in verschiedenen Medien zum Ausdruck kommt, von Schnitzereien über Installationen und Videoarbeiten bis hin zu Dauer-Performances. Er ist fasziniert von der Materialität des „Prozesses des Verfalls“.

Toloku schafft konzeptionelle und performative Kompositionen aus toten und lebenden Materialien, in die er seinen eigenen Körper einbezieht und die er in den regelmäßigen Kreislauf der Natur einbindet.

tolokuart – Website

Eröffnung

25.5.2023 19 Uhr 

mit Performance »NOT NOW« von Martin Toloku

Eintritt frei

Die Performance beginnt um 19 Uhr

Performance: Martin Toloku

Kostüm: Precious Debrah

Sound: Ibukun Sunday

»NOT NOW« ist ein Projekt, das von Albträumen, dem Kampf und der Phobie beeinflusst ist, die mit dem nächtlichen Aufwachen aus einem schlechten Traum verbunden sind, der eine Schlaflähmung verursacht hat. Martin Toloku sagt zu seiner Arbeit:

»Ich erinnerte mich daran, wie ich mich an jenem Abend an mein Bett klammerte, um meinem Körper Schlaf zu gönnen. Wie mein Ältester immer zu uns sagt: abavuvu me dia enya ne ame ooh – der beste Ort, um Ruhe zu finden, ist das eigene Bett.

Nach dem Ein- und Ausatmen massiert eine sanfte Teleportation die Nerven und heilt sie von einem langen Arbeitstag auf dem Rad des erholsamen Schlafs. Überwältigt von den Annehmlichkeiten der Ruhe verstrickt sich der Körper in die Decke und fordert eine Notlandung in einer fremden Welt. Unausweichlich fürchtete ich, in meinem eigenen Tod gefangen zu sein, konnte nicht atmen, nicht laufen und nicht einmal aufwachen.

Ausgehend von mehreren solcher Vorkommnisse aktivieren meine mit Halluzinationen und Raumbegegnungen verbundenen Erfahrungen den Bärenzwinger mit einer Live-Performance, in der mein Körper von einem Friedhof wieder aufersteht.«

Artist Talk

26.5.2023 19 Uhr

mit Martin Toloku und Orlando Maaike Gouwenberg

Das Gespräch findet in englischer Sprache statt.

Im Garten des Bärenzwingers werden Martin Toloku und Orlando-Maaike Gouwenberg über Martins bisheriges Werk sprechen, wobei der Schwerpunkt auf der Installation und Performance „NOT NOW“ liegt, die Martin derzeit im Rahmen der Ausstellung „Heart Beats“ im Bärenzwinger präsentiert.

Orlando-Maaike Gouwenberg ist Kuratorin und Produzentin und arbeitet mit Künstler*innen an Projekten, die oft zwischen verschiedenen Disziplinen angesiedelt sind oder Überschneidungen aufweisen. Sie war Mitbegründerin von A.P.E (art projects era) und Deltaworkers, einer internationalen Residenz in New Orleans, arbeitete bei If I Can’t Dance in Amsterdam, Performa in New York und dem Internationalen Filmfestival Rotterdam und war künstlerische Leiterin von Jester in Genk. Sie war Co-Kuratorin des niederländischen Pavillons auf der 59. Venedig-Biennale, wo sie melanie bonajo präsentierte, und hat viele internationale Projekte als freie Mitarbeiterin durchgeführt, unter anderem für Melly (damals Witte de With) in Rotterdam. Zurzeit produziert sie die Oper Gorgon für Marianna Simnett und arbeitet an zukünftigen Projekten mit internationalen Partner*innen.

»Beyond Languages«

7.6.2023 18–20 Uhr

Poets‘ Corner in Zusammenarbeit mit dem Haus für Poesie 

Lesung mit Jasmina Al-Qaisi, Göksu Kunak und Rûveyda 

Moderation: Nina Kettiger

Die Texte werden vorwiegend in englischer Sprache gelesen.

Eintritt frei

Ein Besuch im Bärenzwinger kann sich anfühlen, als beträte man eine Insel: Die ursprüngliche Gestaltung umfasst zwei begrünte Außenterrassen und Gräben, die früher mit Wasser gefüllt waren. Das Wasser hielt die Bären drinnen und Besucher:innen auf Distanz. Heute sind die Räumlichkeiten des ehemaligen Zwingers kommunale Ausstellungsflächen. Das künstlerische Programm zielt darauf ab, mit und gegen das gewalttätige Erbe des Raumes zu arbeiten.

Im Rahmen der zweiten Ausstellung des Jahresprogramms GLEANING nutzen die zwei Künstler*innen Leman Sevda Darıcıoğlu und Martin Toloku den Raum des Bärenzwingers, um ortsspezifische Installationen zu schaffen, die als Bühne für Performances dienen. Die performative Ausstellung will die „Restwirkungen“ historischer Besitzverhältnisse in Bezug auf Land und Körper in einem globalen Kontext untersuchen. Hier knüpfen die Poets’ Corner-Lyriker*innen an, die eine performative Praxis mit den beiden Künstler:innen gemeinsam haben und Lyrik zwischen den Disziplinen und (Körper-)Sprachen erproben.

Die Veranstaltung wird gefördert im Rahmen von „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds e.V. Das poesiefestival berlin ist ein Projekt des Haus für Poesie in Kooperation mit der Akademie der Künste und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

Kuratorische Führung

28.7.2023 18 Uhr
Rundgang in der Ausstellung

mit Maja Smoszna und Malte Pieper

Die Kurator*innen der Ausstellung, Maja Smoszna und Malte Pieper, laden ein zu einer kuratorischen Tour durch »Heart Beats«, am Freitag, 28.7. um 18 Uhr.

Es wird Deutsch und Englisch gesprochen. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

Der Rundgang ist eine Gelegenheit, die Ausstellung zu erleben und mit dem kuratorischen Team ins Gespräch zu kommen.

Der Eintritt ist frei.

»Fire, everywhere«

5.8.2023 13–19 Uhr 

Performance von Leman Sevda Darıcıoğlu


Eintritt frei

Relaxed Performance, Einlass jederzeit möglich

Sitzplätze vorhanden (Sitzkissen und Bänke), keine Voranmeldung nötig Sprachen: Englisch, Türkisch

Am Samstag, 5. August 2023 von 13 bis 19 Uhr lädt der Bärenzwinger ein zur Performance von Leman Sevda Darıcıoğlu. Die ortsspezifische Arbeit „Fire, everywhere“ (2023) von Leman Sevda Darıcıoğlu thematisiert die Stigmatisierung und Widerstandsfähigkeit queerer Gemeinschaften von der Vergangenheit bis zur Gegenwart. Die Performance zieht Linien zwischen Gewalt und Ermächtigung durch die Symbolik des Boxens/Schlagens. Während der sechsstündigen Performance untersucht Leman auf körperlicher Ebene, wie man in einer herausfordernden Situation, wie einem ständigen Kampf, der durch die Aktion/Geste des Boxens/Schlagens dargestellt wird, einen Ort schaffen kann, an dem man sich um sich selbst und andere kümmert.

Der Akt des Boxen/Schlagens verwandelt sich in eine körperliche Auseinandersetzung, welche die Grenzen von Scham, Schuld, Wut, Verletzlichkeit, Stärke, Widerstand, Kampf/Verstecken durchkreuzt. Die Live-Performance ergänzt die Konstellation von drei Videoperformances, einem Soundstück und einer Reihe von Latexskulpturen, die bereits in der Ausstellung zu sehen sind.